Nietzsches lustvolles Denken

Silsersee1 | Philosophisches Forum

Sils Maria
2. – 8. August 2025
Silserhof

Sils-Maria im Oberengadin ist mit seiner weiten Hochgebirgslandschaft und den türkisgrünen Seen ein Paradies, ein geistiger Kraft-Ort. Touristisch hatte ihn Friedrich Nietzsche 1879 entdeckt, es wurde ihm der »lieblichste Winkel der Erde«, den er sieben Sommer aufsuchte, »hier, wo Italien und Finnland zum Bunde zusammengekommen sind«. Mit einem Notizbuch erwanderte er sich ›Geh-danken‹ – sprachlich brillant wie kein zweiter hat er dem Denken neue Maßstäbe gesetzt. Wir gehen sie nach, die abenteuerlichen Wege des Friedrich Nietzsche, Wanderwege über Bergalmen wie auch Denkwege, auf denen der ›Einsiedler von Sils‹ mitunter ins Straucheln gekommen ist. Dabei sind Sie in erweiterter Gesellschaft, denn im Engadiner Hochtal finden sich immer wieder Dichter, Denker, Musiker und Wissenschaftler ein, Sils wurde zu einem internationalen Ort des intellektuellen Gesprächs. Die Gästelisten der Hotels von Sils lesen sich wie ein großes Who is Who des letzten Jahrhunderts.

1. Tag: Willkommen in Sils!

Individuelle Anreise und Check-In im Silserhof. Bei einem Apéro kommen Sie mit Ihren Mitreisenden zusammen. Peter Vollbrecht präsentiert Ihnen anschließend in einem farbigen Vortrag Nietzsches irrlichternde Reiserouten und seine Ankunft im Engadin vor 146 Jahren.

2. Tag: Der Sprachmagier

Er habe nach Luther und Goethe die deutsche Sprache zur Vollendung gebracht, brüstete sich Nietzsche in der ihm eigenen Unbescheidenheit. Doch so ganz Unrecht hat er nicht, das erleben Sie heute, wenn Sie in Nietzsches Sprache baden. Sie ist wortstark, bilderreich, farbig und rhythmisch. Doch mit musikalischer Sprache allein treibt man noch keine Philosophie, deshalb beginnen wir inhaltlich mit einem zentralen Lehrstück Nietzsches: Die Kritik an den Idealen der alten Welt. Hier erleben Sie den scharfzüngigen Kritiker in Bestform: Einfallsreich und wortgewandt sind seine Ausfälle gegen die Religion, die Moral und die »metaphysischen Hinterwelten«. Die erste Wanderung ist eher ein Spaziergang – die Halbinsel der Chasté ist ein Kleinod in direkter Nachbarschaft des Silserhofes (Rundweg ca. 60 Min.). Am
berühmten Nietzsche-Stein rezitiert Ihnen Ihr Seminarleiter stimmungsvoll Gedichte Nietzsches.

3. Tag: Lebenskunst

Auch wenn er ein einsames Leben führte, so ist er doch zumindest gedanklich ein Experte des gelingenden Lebens. Einer von Nietzsches vielen Widersprüchen, die wir während unserer Denkwoche zu ergründen suchen, denn, so frei nach Nietzsche, wer hielte es schon mit sich selber aus, wenn da immer nur alles glatt verliefe? Nietzsche hält es mit einer Lebensphilosophie der freien Entwürfe. Kühn und mit einer Prise Lust am Tragischen, kämpferisch und romantisch zugleich bindet das intellektuelle Energiebündel eine Vielzahl von Lebensperspektiven zusammen, in denen Sie sich wiedererkennen können. Am späteren Vormittag besuchen wir das Nietzsche-Haus zu einer Führung, danach Auffahrt zum Corvatsch (3297 m). Von der Mittelstation wandern wir bis zur Furtschellas Bergstation (ca. 2,5 h) und fahren hinab nach Sils. Wenn Sie nicht so gut zu Fuß sind, können sie auch mit der Corvatsch-Bahn zurück.

4. Tag: Psychologisches Philosophieren

Sigmund Freud bemerkte einmal, dass sich Nietzsches Einsichten »oft in der erstaunlichsten Weise mit den mühsamen Ergebnissen der Psychoanalyse decken«. Die Vernunft, so legte Nietzsche immer wieder seinen Lesern ans Herz, werfe keinen objektiven Blick auf die Welt, denn auch in ihr wirkten Instinkte, Ängste und Antipathien. Mit seinem Menschenbild begründete er den neuen Typus des psychologischen Philosophierens: Überzeugen uns Konzepte und Gedanken nicht deswegen, weil sie wahr sind, sondern weil sie eine seelische Resonanz auslösen? Auch zur Klärung dieser Frage fahren wir mit der Bergbahn auf die Muottas Muragl (2456 m), von wo aus man den schönsten Panoramablick über die Engadiner Seen hat. Thematisch zum Ausflug statten wir auf der Rückfahrt dem Segantini-Museum in St. Moritz einen Besuch ab (mit kunsthistorischer Führung).

5. Tag: Musikphilosophie

Nietzsche wandelte sich vom blinden Wagner- Adepten zum polemischen Gegner. Bei allen Richtungswechseln blieb sein gesamtes Schaffen im Schatten des umstrittenen Komponisten. Während einer leichten Wanderung ins bezaubernde Fextal (ca. 2 h, optional auch mit Pferdekutsche) hören Sie den Vortrag »Wagners Kunst ist krank – Nietzsches Krieg gegen Wagner«. Nietzsches Kunstphilosophie, inspiriert von Schopenhauer, hat Generationen von Künstlern durch ihren perspektivischen Reichtum tief beeindruckt und gehört zu den nunmehr klassischen Interpretationen moderner Kunst. Die umwerfende Landschaft des weiten Hochtales mit den weißen Gletschern in der Ferne öffnet Sie für Nietzsches kulturgeschichtliches Großpanorama, das den Bogen spannt von der griechischen Tragödie bis hin zu Wagners Opernkunstwerk. Zum runden Abschluss des Tagesthemas können Sie nach dem Abendessen Passagen aus Wagners Opern ›Tristan‹ und ›Parsifal‹ hören.

6. Tag: Die Philosophie des emphatischen Ja

Nietzsche ist stark in der Kritik und Diagnose, doch schwächer in der Konstruktion. Doch mit seiner emphatischen Philosophie des Ja hat er den Nihilismus überwunden und in andeutenden Strichen ein neues Menschenbild gezeichnet. Wir zeigen uns heute ebenfalls von unserer konstruktivsten Seite und bereinigen seine Philosophie von ihren elitären und antidemokratischen Zügen. Zum Vorschein könnte ein zukunftsorientiertes humanes Selbstverständnis kommen! In diesem Zusammenhang interessiert uns auch die Wirkung, die Nietzsche in der Literatur hinterlassen hat. Während einer Wanderung entlang des Engadiner Höhenweges nach Maloja (ca. 2,5 h) trägt Ihnen Peter Vollbrecht kleine literarische Mosaiksteinchen zu von Robert Musil, Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse und Thomas Mann. Zurück fahren wir mit dem Boot: die höchstgelegene Schiffsverbindung
Europas! Falls Sie sich die Wanderung ersparen möchten, fahren Sie doch mit dem Bus nach Maloja und treffen dort die Wandergruppe für die Bootstour!

7. Tag: Abreise

Nehmen Sie Abschied von den malerischen Bergen. Individuelle Abreise nach dem Frühstück,

Gruppengröße: 12 – 18 Personen

Reader: eine ausführliche Textsammlung wird Ihnen drei Wochen vor Seminarbeginn zugesandt. Keinesfalls müssen Sie den Reader vorher durchgearbeitet haben!

Exkursionen/Besichtigungen: Nietzsche-Haus ins Sils, Segantini-Museum in St. Moritz

Anreise: individuell

Kosten: sechs Übernachtungen mit Halbpension im Silser Hof, Eintritte, Besichtigungen laut Programm, Seminar und Seminarskript DZ € 2190, EZ-Zuschlag € 0,0