Vorträge und Diskussionen

Für Ihre philosophische Veranstaltung – sei es im Rahmen einer Institution oder im privaten Zirkel – können Sie Themen aus meiner gut gefüllten Schatztruhe wählen. Eine Auswahl davon finden Sie hier mit kurzen thematischen Erläuterungen, gegliedert nach

Weitere Themen sind vorrätig – aus fast einem Vierteljahrhundert philosophischer Vortragstätigkeit. Die nachfolgende Liste deckt ca. die Hälfte aller z.Zt. verfügbaren Themen ab. Zu jedem Thema gibt es eine Textsammlung von ca. 6-10 Seiten.

Ethik, Menschenbilder

Geschichte der moralischen Ideen:
Die Ethik des gelingenden Lebens: Aristoteles‘ Moralphilosophie

Die alten Griechen mit ihrem großen Sprachgefühl nannten das gelingende, glückende und glückliche Leben Eudaimonia. Sie verstanden darunter den guten Geist, der uns einwohnt und ohne den unser Leben nicht gelingen könne. 

Aristoteles hat aus dem Lebensziel eines gelingenden Lebens seine Ethik geformt. Dabei hat er auf die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen gesetzt, er hat aber auch die ethischen Normen auf die die gesellschaftlichen Bedingungen bezogen, unter denen wir leben. Wir verwirklichen die in uns angelegten Möglichkeiten, meinte er, nur als politische Wesen. Dabei ist für ihn der Begriff der Tugend zentral. Ein tugendhaftes Handeln bilde sich unter Einfluss unserer intellektuellen Einsichten heran, ein tugendhaftes Handeln gedeiht aber nur in einem gerechten Gemeinwesen, – eines bedinge hier wechselseitig das andere. Als die drei wesentlichen Kardinaltugenden gelten ihm die Weisheit, die Freundschaft und die Gerechtigkeit. Ein großer Abend über die ethischen Vorstellungen der Antike. 

Geschichte der moralischen Ideen:
Immanuel Kant: Der kategorische Imperativ

In der Geschichte der moralischen Ideen nimmt Kants kategorischer Imperativ die unbestritten zentrale Stellung ein. Keiner, der sich Gedanken über das richtige Handeln macht, kommt um ihn herum. Und irgendwie kennt ihn tatsächlich jeder, aber wer könnte angeben, weshalb ihn Kant für unbedingt gültig hielt, ohne Ausnahme und zwar für jeden Menschen, sei er nun Europäer oder Chinese? „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde!“ Peter Vollbrecht legt Ihnen diesen Satz nach allen Seiten hin aus und macht dabei zum Thema: die Freiheit und die Pflicht, die Menschenwürde und den guten Willen, das Triebleben und die Selbstbestimmung durch Vernunft. Anschließend diskutieren wir gemeinsam die Stärken der Kantischen Ethik – wie auch deren Schwächen!

Geschichte der moralischen Ideen
Ist das Gute das Nützliche? Der Utilitarismus

Es habe zwar in den Wissenschaften und in der Welt der Technik einen Fortschritt gegeben, die Moral aber komme nicht vom Fleck? Mitnichten! Eine neue Reihe eröffnet einen tieferen Blick in die Geschichte der Moralphilosophie. Wir beginnen mit dem sogenannten Utilitarismus, der auf die Ethik einen pragmatischen Akzent setzt. Gut ist, was nützlich ist für eine größtmögliche Anzahl von Menschen – das ist seine Grundüberzeugung, vorgetragen von Denkern wie Jeremy Bentham und John Stuart Mill. Dieses Kriterium leite uns in moralisch schwierigen Situationen zu Wert- und Entscheidungspräferenzen. Wenn eine Gesellschaft den Nutzen für möglichst viele zu ihrem moralischen Grundsatz erhebt, dann sei sie in hohem Maße fair und gerecht. Das klingt plausibel – doch Vorsicht! Die Probleme liegen im Detail.

Geschichte der moralischen Ideen:
Der Kommunitarismus

„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – das war der moralische Dreiklang, mit dem die Französische Revolution das demokratische Zeitalter in Europa eingeleitet hatte. Sie sind auch die Wurzeln des Liberalismus.

Die gegenwärtige Krise des Liberalismus deckt auf, dass in der liberalen Idee das Prinzip der Brüderlichkeit, die Solidarität, unter die Räder gekommen ist. In Amerika hat sich seit den 80er Jahren eine Sozialphilosophie Gehör verschafft, die den Liberalismus reformieren möchte: der Kommunitarismus. Er setzt auf gemeinschaftliche Werte, auf bürgerliche Tugenden, und er ist der Auffassung, dass die Grundwerte der Liberalisten – Freiheit und Gleichheit – als Fundament für eine moderne Gesellschaft allein nicht ausreichen. Scharf diagnostizieren sie, wie der Neoliberalismus die solidarischen Bänder zerrissen hat, ebenso scharf aber kritisieren sie die Vormachtstellung des Wohlfahrtstaates, der den Bürgern deren Fähigkeit zur Selbstorganisation streitig macht. Die Autoren, die dabei zur Sprache kommen, gehören zur Crème de la Crème der anglo-amerikanischen Szene: Alasdair MacInyre, Charles Taylor, Michael Sandel u.a.

Aristoteles über die Seele

Ob es sie wirklich gibt, die Seele, daran ist oft gezweifelt worden, zuletzt von den Hirnforschern. Zweifellos aber existiert sie im Vokabular der Sprachen, doch welchen Sinn macht sie dort? 

Der antike Meisterdenker Aristoteles gibt uns Antwort wie kein zweiter in der Geschichte der Philosophie. Sie sei ein Prinzip des Lebens, mit der jeder Organismus sich seine Ziele setze. Und tiefer schaut er der menschlichen Seele in ihr Gehäuse und entdeckt ihr das weite Geflecht ihrer Regungen: Wahrnehmungen und Vorstellungen, Vernunft und Gefühl, Begehrungsvermögen und das kognitive Zentrum unserer Handlungen. Wirklich bahnbrechend hat Aristoteles vor über 2300 Jahren der Psychologie wie auch der Biologie die Wege gewiesen für die Geheimnisse des Lebens.

Leib und Seele, Körper und Geist

Ist es der Geist, der sich den Körper baue?, wie es Friedrich Schiller meinte. Oder sind ‚Geist‘ und ‚Seele‘ nur leere Worte, mit denen sich der Mensch über die Allmacht der Materie hinwegtröstet? Seit der Antike bewegt diese Gretchenfrage die Debatten um Leib und Seele. Sie versammeln einen bunten Strauß von Positionen, einseitige und extreme wie auch vermittelnde, die hier eine Wechselwirkung von Körper und Geist annehmen. Sie werden darüber staunen, wie dabei die Linien quer durch die Ideengeschichte verlaufen und wie modern etwa antikes Denken (Aristoteles und Epikur) sich ausnimmt, wenn es mit den neurobiologischen Erkenntnissen unserer Tage konfrontiert wird (Gerhard Roth). Oder wenn Sie die Wirkungsmächtigkeit der christlichen Tradition in der Philosophie Kants etwa aufspüren. Im Leib-Seele-Problem bündeln sich alle großen und interessanten Themen, die unser menschliches Selbstverständnis ausmachen, – in ausführlichen Diskussionen erkunden wir das Terrain.

JETZT! Die philosophischen Geheimnisse des Augenblicks

Immer würden wir rechten Augenblick von der Zukunft erwarten und darüber das eigene Leben verpassen, klagte schon der antike Denker Epikur. Dabei hat der geheimnisvolle Atemzug der Zeit die philosophischen Köpfe seit jeher beschäftigt. Immer geht es dabei um die Sehnsucht, dem Diktat des Zeitflusses zu entkommen: in der ästhetischen Kunsterfahrung, in erotischer Sinnlichkeit, im plötzlichen Moment einer Erkenntnis, im abrupten Auftreten eines Gefühls oder in den spirituellen Erlebnissen des Mystiker. Im Augenblick konzentriert sich unsere existenzielle Präsenz, unser Hier-Sein. Doch wir führen unser Leben auch und in erster Linie in der biographisch, historisch und soziologischen Zeitreihe, im Dort-Sein. Entwerfen wir in unseren Gesprächen Visionen einer zu bewirtschaftenden Zeit, in der die Düfte des Augenblicks aufbewahrt bleiben wie die Blüten eines vergänglichen Daseins.

Wie wollen wir leben?
Über Peter Bieris neueste Essays

Der Philosoph Peter Bieri, bekannt auch als Romancier Pascal Mercier (u.a. Der Nachtzug nach Lissabon), ist ein Meister der leisen Töne. Sein jüngst erschienenes Buch Wie wollen wir leben? ist ein Schatzkästchen einer Philosophie der Lebenskunst, es versammelt die wesentlichen Aspekte eines sinnerfüllten Lebens um die zentrale Achse von Freiheit und Selbstbestimmung. Bieris Botschaften sind klar und einfach, seine Sprache unverstellt und von einfühlsamer Innerlichkeit. Souverän öffnet sein philosophischer Blick für die vielfältigen menschlichen Möglichkeiten, die sich uns bieten für unsere Suche nach einem gelingenden Leben. Über Selbsterkenntnis und die Abwehr der Manipulation, über das eigene Selbst und die Bedeutung der Anderen im sozialen Feld, über die Kunst, sich zur Sprache zu bringen und über das erzählerische Selbstbild, das jeder von sich erzeugt.

Negative und positive Freiheit: Isaiah Berlin

Die Freiheit, so meint der britische Philosoph Isaiah Berlin, hat vor allem zwei Gesichter: das klassisch liberalistische einer Freiheit von äußeren Zwängen, einer ‚Freiheit von‘, sowie das humanistische einer Freiheit zu Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, einer ‚Freiheit zu‘. Beide erst bilden einen sinnvollen Freiheitsbegriff, aber beide stehen nicht spannungsfrei zueinander. Denn die ‚positive Freiheit‘ ist sehr viel stärker wertbesetzt als die ‚negative‘, – zudem konkurrieren im Wertgefüge der ‚positiven Freiheit‘ manche Normen untereinander um Vorherrschaft. Berlin plädiert deshalb entschieden für einen Wertepluralismus, um den potenziell ‚gegenfreiheitlichen Tendenzen‘ im positiven Freiheitsbegriff entgegenzutreten. Eine Warnung also an allzu fest gefügte Überzeugungen über das Richtige und Wahre!

Erst in den letzten Jahren ist in Deutschland das weitverstreute publizistische Werk Isaiah Berlins wahrgenommen worden. In England hingegen gilt er seit den 70er Jahren als der Prototyp des Intellektuellen, der sich mit kräftiger Stimme in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einschaltet – das britische Gegenstück zu Jürgen Habermas.

Weshalb kommen wir so selten dazu, wir selbst zu sein?
Heideggers Analyse des ‘Man’

Man sagt, man genießt, man empört sich – in der großen Manipulationsmaschine des öffentlichen Geredes ist eine neue Macht zur Herrschaft gelangt: die Diktatur des Man. Im Man entlastet sich der Einzelne von der Last der eigenen Existenz, flüchtet in das nivellierende Grau der Durchschnittlichkeit und plappert dort das Gerede nach. In einer berühmten Passage seines Hauptwerkes Sein und Zeit hat Martin Heidegger dieses allzu reale Gespenst der modernen Massengesellschaft einer eingehenden Analyse unterworfen. Beklemmend und hochaktuell, denn irgendwie ist jeder von uns: ein Man. Man kann kaum anders, auch wenn man will. Nur allzu leicht überschätzt man die Souveränität des eigenen Selbst und unterschätzt die Allgegenwart des Man. Düster? Wie entkommt man dem Man? 

Die Freiheit und das Böse: Friedrich Schelling

Eine der tiefsten und unbequemsten Einsichten besteht im Gedanken, dass das Böse die menschliche Freiheit zur Grundlage hat. Kant hatte behauptet: die Herkunft des Bösen ist letztlich unbegreiflich. Schelling, 1775 in Leonberg geboren, wollte da noch weiter graben, er wollte Aufklärung über die Natur des Bösen. Das Böse, so meinte er, entstehe im Lauf der Entwicklungsgeschichte des Bewusstseins. Im Anfang waren Dunkelheit und Licht ungeschieden, erst in der freiheitlichen Bahn des Menschen trete das Gute und das Böse in einen kriegerischen Konflikt. Gibt es eine Auflösung dieses Dramas? Wir nehmen Schellings Antwort zum Anlass für eine kühne Kulturtherapie… 

Emmanuel Levinas:
Humanismus im Antlitz des Anderen

Wir erleben derzeit in den Krisenherden der Welt eine ungeahnte Brutalisierung des Lebens, die uns den Atem nimmt. Sie verlangen nach einer philosophischen Antwort. Der französische Denker Emmanuel Levinas hat die Einsicht, dass jedes individuelle Leben sich nur in der Nachbarschaft der Anderen entfalten kann, zu einem Humanismus im Antlitz des Anderen fortentwickelt. Freiheit, so sein leitender Gedanke, wird erst ermöglicht durch den Anruf des Anderen. Zudem zieht sich durch das Individuum selbst die Spur des Anderen – nicht nur des anderen Lebens, sondern des ‚ganz Anderen‘, des Unendlichen. Und hier, vor den religiösen Horizonten, formuliert sich die Antwort auf den fundamentalistischen Terror der Gegenwart…

Aus der Welt der Gefühle:
Eifersucht

Endlos die Beispiele in Literatur, Theater und Film. Und ebenso bodenlos die quälende Erfahrung, in der jegliche Vernunft wie ausgeschaltet ist. Nackt und rasend stehen wir auf der Bühne, entblättert bis auf den Kern. Doch was treibt ihn um, den Eifersüchtigen? Geht es um Treue, um Verlust, um Körper oder Seele? Kein anderes Gefühl nimmt uns so in Geiselhaft, allenfalls vergleichbar zu Wut, Angst und Hass – wovon viel dabei ist in der Eifersucht. Wir versuchen uns philosophisch an einer abstrakteren Zeichnung. Shakespeares Othello, Büchners Woyzeck, Robbe-Grillets Jalousie und andere Eifersuchtshelden der Weltliteratur bringen das beklemmend Anschauliche dazu!

Aus der Welt der Gefühle weiter vorhanden:
Angst | Trauer und Melancholie | Freude, Glück und Liebe | Sehnsucht | Einsamkeit und Alleinsein | Hass und Wut | Ekel und Scham | Freundschaft | Vertrauen | Mitgefühl und Mitleid

Weltmacht Wille: Arthur Schopenhauer

Er wollte noch einmal eine allgemeine Welt-Theorie schreiben, er wollte begreifen, in welchen Kreisen sich das Universum dreht. Seine Antwort greift der Psychologie fast 100 Jahre voraus: der Wille hält die Welt im Innersten zusammen. Und: nicht der Geist treibe die Geschichte, sondern der Körper. Schopenhauer war vom Blick in das Schwarze der Seele fasziniert. Die forsche philosophische Wende vom Geist zum Körper ist aber nur die eine Seite des Arthur Schopenhauer.
Die andere: Das Besondere des Menschen bestehe darin, mit Erkenntnis über den blinden Willen hinaus zu gelangen bis hin zur Überwindung des Willens. Die Philosophie triumphiert also doch über die Macht des Körpers. Philosophisch orientiert sich Schopenhauer dabei an der indischen Philosophie, ästhetisch dagegen kommt der Kunst, namentlich der Musik, das Potenzial zu, die Macht des Willens brechen zu können. 

Charles Taylor: Selbstsein und Anerkennung

Der Kanadier Charles Taylor ist einer der ganz großen Denker der Gegenwart. Sein philosophisches Lebenswerk kreist um die Zentren Anerkennung und Selbstsein, und dabei geht er auf die Suche nach einer gelingenden, wohlorganisierten Gesellschaft. Die philosophische Tradition habe mit ihrem Konzept eines autonomen Selbst, das sich isoliert von seinen gesellschaftlichen Bezügen entwirft, die Vernunft sozial entkoppelt und ‚desengagiert‘. In seinem Hauptwerk ‚Quellen des Selbst‘ entwirft er eine großangelegte Rekonstruktion der Geschichte von Identität und Individualität, aus der ich Ihnen die Rosinen herauspicke. Immer geht es dabei um die Wechselbeziehung von Selbstsein und Anerkennung.

Philosophische Ethik in einer Weltzivilisation:
Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas über Diskursethik

Einer offenen demokratischen Gesellschaft fällt das moralische Argumentieren zunehmend schwerer. Die Einzelinteressen haben eine große Fliehkraft entwickelt und bedrohen den ethischen Grundkonsens einer Gemeinschaft. Als Antwort auf diese Problematik haben Philosophen am Ende des Jahrhunderts einen neuen Anlauf genommen, die Ethik vor ihrer Zersetzung zu retten. Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas sind die herausragenden Vertreter der sogenannten Diskursethik, in der die Geltungsansprüche von ethischen Regeln in einem vernünftigen Gespräch geprüft werden. Dabei regiert das Prinzip des rationalen Diskurses, in dem das bessere Argument über das schlechtere siegt. Allein – was macht ein Argument zu einem besseren? Wir sind gespannt auf die Argumente der Diskursethiker! Das Fernziel der Diskursethik besteht darin, globale ethische Standards zu setzen, um die alte Idee Immanuel Kants von einem Weltbürgertum in das neue Jahrtausend zu tragen, – um sie dort zünden zu lassen für eine ethisch globalisierte Menschheit. 

Religion, Weltanschauung, Sinnpotenziale

„Moral führt unumgänglich zur Religion“:
Kants Religionsphilosophie

„Ich musste das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen,“ so schrieb Kant lakonisch über sein philosophisches Lebenswerk. Dabei galt ihm als ausgemacht: der Glaube müsse vernünftig sein, er müsse das Wissen ergänzen. Und so bemühte sich Kant an vielen Stellen seines Werkes, vernünftige Gründe für den Glauben zu finden. Die stärksten Übergänge vom Wissen zum Glauben beschritt er in der Moralphilosophie. Hier erhebt die Vernunft Gott zum notwendigen Postulat, hier führe alles „unumgänglich zur Religion“. Wir studieren die Gründe, die Kant dazu bewogen haben, wir analysieren die Gottesidee, die dabei zum Tragen kommt – auch um zu verstehen, weshalb die preußische Amtskirche Kants Religionsphilosophie der Zensur unterwarf.

Jesus auf dem Scheiterhaufen
Das Drama der Freiheit – Dostojewskis Großinquisitor

Dostojewskis literarisches Werk gipfelt in einer kleinen Erzählung, die eine zentrale Stellung in seinem Meisterwerk Die Brüder Karamasoff einnimmt. Jesus kommt noch einmal zurück, tätigt noch einmal Wunder – und wird vom Großinquisitor verhaftet. Denn er störe nur das Werk der Kirche, so hält ihm in einem grandiosen Monolog der greise Kirchenmann entgegen, und ausführlich legt er ihm den Irrtum dar, dem Jesus erlegen sei, als er den Glauben meinte auf die Freiheit gründen zu können. Er, Jesus, habe damit eine zu schwere Last auf die Menschen gelegt, es sei eine Lehre nur für die Starken – die Kirche aber habe sich um den großen schwachen Rest gekümmert, habe ihn eingesammelt und unter das Joch der Autorität gespannt. Nur als Knechte könnten die Menschen glücklich sein, die Kirche habe einen Kardinalfehler der Lehre Jesu ausgemerzt. Und deshalb müsse er, Jesus, auf dem Scheiterhaufen sterben. 

Vorderhand ein philosophisches Nachtstück gegen die Institution der Kirche und für den reinen Glauben, doch hinter den Kulissen geht es um das bis heute unaufgelöste Drama der Freiheit. 

Der Gott der Philosophen

Philosophen sprechen oft von Gott, ohne an ihn zu glauben. Der Name ‚Gott‘ steht dann für Horizonte des Denkens, die für uns endliche Wesen unerreichbar sind. Die wir aber aufrechterhalten wollen, andernfalls würden wir zu viel preisgeben. Gott ist dann keine Person, sondern eine durchschaute Projektion des menschlichen Geistes. ‚Unterhalb‘ des personalen Gottesbegriffs zeigen sich die interessanteren ‚Gesichter‘ Gottes, allesamt Spiegelbilder unserer selbst. Gott sei tot, verkündete Nietzsche vor 130 Jahren, und klugerweise fügte er hinzu: „Aber ich fürchte, wir werden seine Grammatik nicht los.“ 

Braucht der Mensch Religion?
Volker Gerhard plädiert für den Sinn des Sinns

Das „unsterbliche Gerücht“ hat seit einigen Jahren wieder Konjunktur im rationalen Denken. Der Hintergründe sind es viele, – nicht zuletzt fühlen sich Philosophen jedweder Couleur herausgefordert, den Deutungsansprüchen der Naturwissenschaften Sinnhorizonte entgegen zu halten, die sich nicht auf eine materielle Basis zurückbeziehen lassen. Der Berliner Philosoph Volker Gerhard hat kürzlich ein kräftiges Votum für die Sinnfälligkeit des Religiösen gemacht: es gehe dem Menschen in seinem Bestreben, ein sinnvolles Leben zu führen, immer auch um den Sinn des Sinns. Hier wurzeln Weltvertrauen, Glück und Anerkennung.

Sören Kierkegaard:
Die Aufgabe, man selbst zu werden

Sören Kierkegaard ist der einsame, geheimnisvolle Philosoph Dänemarks, der sein leidenschaftliches Denken auf das einzelne, einmalige Dasein stellte. Damit ist er der Begründer der Existenzphilosophie geworden. Alles in seinem Werk kreist um die Aufgabe, das Selbst, das ein jeder von uns ist, auch wirklich zu leben. Doch eher flieht der Mensch vor sich selbst und wirft sich auf gesellschaftliche Rollen, in denen er ein uneigentliches Dasein lebt. Doch was geht ihn existenziell an? Kierkegaards Antworten: die Angst, die Freiheit und die existenzielle Wahl eines umfassenden selbstbestimmten Lebens. Allerdings war der schwermütige Däne auch der Meinung, dass die letzten Horizonte dabei tiefreligiöse Farben tragen – womit er sich gegen die Kirche wandte, die als Staatskirche die existenzielle Bedeutung des Christentums pervertiert habe. 

Furchtlose Freude:
Epikur über die Natur des Glücks

Verfemte leben länger. Und was hat man ihm nicht alles vorgeworfen: ein philosophisches Schwein sei er, der eine Hurenphilosophie betreibe. Dabei hat er nur die körperlichen Freuden gegen die Leibfeindlichkeit der Stoa und des Platonismus verteidigt. Später dann nahmen christliche Denker an seiner Behauptung Anstoß, es gebe keine unsterbliche Seele. Heute aber hat Epikur mit seiner Lehre von der heiteren Freude am Dasein viele Anhänger. Das Glück, so meinte er, sei dann ungetrübt, wenn der Mensch mit seiner Vernunft die Ängste vertreibe, die Nebelbänken gleich auf unserem Gemüt lasten. Nichts sei erstrebenswerter als ein stiller, aber doch euphorischer Genuss des Lebens.

Albert Camus: Das Glück des Sisyphos

Weshalb lohnt sich das Leben? Bei all der betriebsamen Hektik, die uns in den Alltag spannt, bei allen Fragen, auf die weder wissenschaftlich noch existenziell letzte Antworten zu erwarten sind? Wenn auch die Himmel nicht mehr trösten, wenn, bei Lichte besehen, das Menschenleben vergeblich Steine wälzt wie Sisyphos, der von den Göttern zu einer absurden Strafe verurteilt wurde? Albert Camus stellt die Sinnfrage erneut und mit einer Radikalität, die uns den Atem nimmt. Wir, so meint er, leben in einer Welt, die sich nicht mehr deuten und rechtfertigen lässt – wie sollen wir uns da noch zurechtfinden? Aber gerade das Gefühl der Absurdität gebe uns eine tiefere Freiheit, einen intensiveren Lebenssinn und eine umfassendere Menschlichkeit. Lässt es sich begreifen, das verschwiegene Glück des Sisyphos?

Philosophie des Islam:
Religiöse Wahrheit und Vernunftwahrheit

Es gibt sie, die toleranten Zeiten im Islam. Das ‚Goldene Zeitalter‘ des Islam dauerte 400 Jahre, es erstreckte sich vom fernen Persien bis nach al Andalus in Südspanien. Ihre Philosophen diskutierten über das spannungsvolle Miteinander von Philosophie und Religion, und sie regten sogar einen kritisch-philosophischen Umgang mit dem Koran an. Peter Vollbrecht führt Sie kreuz und quer durch die historische Epoche vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, die der europäischen Aufklärung im vielem nahekommt. Hätten sich damals die Denker, die Ärzte, die Wissenschaftler durchgesetzt – die islamische Zivilisation wäre heute eine andere. Die großen Namen? Die Mu‘taliziten, Alhazen, Avicenna, al Farabi, Averroes…

Die Geheimnisse der indischen Upanishaden

Sie gelten als die ältesten philosophischen Schriften der Welt, verfasst etwa zu der Zeit, als das Alte Testament redigiert wurde. Dabei bilden sie noch die jüngsten Schichten der Veden, den Offenbarungsschriften des alten Indien. Arthur Schopenhauer galten die Upanishaden als die wichtigste philosophische Schrift schlechthin. Peter Vollbrecht führt Sie in die indische Philosophie ein und thematisiert dabei die sechs wichtigsten philosophischen Systeme des Subkontinents. Immer wieder geht es um das Geheimnis des Lebens, um Materie und Geist und um den Zusammenhang von Einzelseele und Weltseele, von Mikrokosmos und Makrokosmos. 

Faszination Unendlichkeit

Das Meer, so sagte es der Philosoph Karl Jaspers einmal, sei das Sinnbild des Philosophierens, weil uns dort das Unendliche gegenwärtig werde. Die Wellen, der Wind, der weite Horizont stimmen uns ein auf unsere Fragen nach dem menschlichen Dasein, aber auch nach dem je persönlichen Leben. Kein Wunder also, dass das Unendliche das Denken seit Urtagen fasziniert. Es ist eine Chiffre für das Göttliche, es inspiriert die Kunst, und auch die Natur zeichnet es in den Sternenhimmel. Dabei ist die Unendlichkeit nichts anderes als eine menschliche Erfindung. Ohne sie wären die Welt und das Leben nicht zu verstehen. Eine philosophische Tiefbohrung zu vorweihnachtlicher Zeit.

Stephen Hawkings letzte Botschaft an die Menschheit:
Weshalb wir die großen Fragen stellen müssen

Am 18. März 2018 starb der britische Physiker Stephen Hawking. Mit 19 Jahren zeigten sich die ersten Anzeichen einer Nervenkrankheit. Die Ärzte gaben ihm damals noch zwei Jahre Lebenszeit, Hawking stürzte in eine tiefe Depression. Doch seine Leidenschaft für die physikalische Grundlagenforschung setzte über alle Diagnosen hinweg, er lebte weitere 55 Jahre, später im Rollstuhl, und mit Hilfe eines Sprachcomputers nahm er weiter an der Wissenschaftsgemeinschaft teil. Posthum hinterließ er bewegende Botschaften an die Menschheit: Wie es uns gelingen werde, zu überleben. Ob es anderes Leben im Universum geben könne, wie wir unsere Zukunft gestalten werden, welche Hoffnungen auf die Menschheit zu setzen wären. Und: wie alles angefangen hat mit dem Universum, und ob dazu ein göttlicher Funken notwendig gewesen sei. 

Erkenntnis, Sprache, Welt

Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“

Einst verkündete das Delphische Orakel, dass niemand weiser sei als Sokrates. Der wollte das nicht glauben und machte sich auf, das Orakel zu widerlegen. Doch in allen seinen Gesprächen kam er zur Einsicht, dass die Menschen sich stets nur einbildeten, weise zu sein. Er, Sokrates dagegen, wisse, dass er nichts wisse, und darin bestehe seine Weisheit. Sollen wir ihm das glauben? Auf jeden Fall wurde Sokrates damit zum Urvater kritischen, sich beständig selbst hinterfragenden Wissens. Verfolgen wir die Geschichte der sokratischen Weisheit bis in unsere Tage!

Platons Höhlengleichnis

Kein Text aus der Antike ist berühmter als das Höhlengleichnis, das es mittlerweile auch schon auf die Theaterbühne gebracht hat. Es komprimiert Platons Philosophie auf wenige Seiten in dessen Hauptwerk, der Politeia, dem Staat. Sorgfältig gelesen präsentiert es die Grundfiguren der Aufklärung und des Idealismus, es bedenkt die Rolle der Philosophie im gesellschaftlichen Gefüge, es thematisiert das intellektuelle Außenseitertum und es spricht vom Glück, das demjenigen winkt, der das Wissen über das Meinen stellt. Nicht zuletzt aber formuliert das Höhlengleichnis eine Medienkritik, die aktuell ist gerade in unserer Gegenwart: welche Manipulationskraft haben die Bilder über die ‚wahre‘ Wirklichkeit?

„Flamme bin ich sicherlich“ –
die Wahrheiten und die Irrtümer des Friedrich Nietzsche

“Gott ist tot!”; “Ich lehre euch den Übermenschen!”, “Du gehst zu Frauen? Vergiß die Peitsche nicht!”, – wie kein anderer in der europäischen Tradition hat Nietzsche auf die Werte unseres Kulturkreises eingedroschen. Ein unbändiger Wunsch lebte in ihm, die abendländische Geistesgeschichte auf den Kopf zu stellen und der Welt seinen Willen aufzuzwingen. Doch einsam lebte er, von Krankheiten gequält, beständig auf der Flucht vor den Menschen, und in wahren Rauschzuständen schrieb er seine Werke nieder. Bis ihn an einem Januartage 1889 in Turin der Wahnsinn ereilte.

Nietzsche hat in seiner Einsamkeit zweifellos wertvolle Wahrheiten erschrieben, dafür spricht schon die große Resonanz, die sein Werk bis heute ausgelöst hat. Seine Religionskritik, seine Theorie der Macht, seine psychologische Feinfühligkeit und seine Kunsttheorie sind Meilensteine in der Kulturgeschichte. 

„Die Sprache ist das Haus des Seins“.
Cassirer, Heidegger und Wittgenstein

Das zwanzigste Jahrhundert ist, philosophisch gesehen, die Epoche der Sprachphilosophie gewesen. Leitend dabei die Einsicht, dass unser Dasein vorrangig in der Sprache beheimatet ist. In ihr sedimentieren sich nicht nur die Erfahrungen einer Gemeinschaft, sondern einer generationenübergreifenden Tradition. Drei Philosophen des letzten Jahrhunderts setzten dabei jeweils verschiedene Akzente: Ernst Cassirer, in der Denktradition der Kulturphilosophie stehend, bestimmt den Menschen als ein Wesen, das in symbolischen Welten lebt, und er spannt einen weiten Bogen vom Mythos über die Religion, die Kunst, die Wissenschaft und die Technik. Martin Heidegger wendet den Blick auf das Sprachkunstwerk und erwartet von den Dichtern die wesentlichsten Impulse für die künftige Weltverständigung. Wittgenstein schließlich konzentriert sich auf die normale Alltagssprache. Sie helfe uns dabei, Auswege aus den Sackgassen des Denkens zu finden: „Was ist dein Ziel in der Philosophie? – Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.“

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen
Ludwig Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus

Exzentrisch war er, rechthaberisch und mit all den sozialen Defekten ausgestattet, an denen es einem Genie nicht mangelt: Ludwig Wittgenstein. In jungen Jahren schrieb er sein Wunderwerk, den Tractatus logico-philosophicus, mit dem er meinte, alle philosophischen Probleme gelöst zu haben. Das sollte er später zwar revidieren, doch nirgendwo sonst ist es ihm so eindrucksvoll gelungen, den Leser an die Grenze zwischen dem Sagbaren und dem Unsagbaren zu führen. Man müsse nur dasjenige zur Kenntnis nehmen, was der Tractatus verschweige, meinte er – die Ohrfeige galt der zeitgenössischen Aufnahme seines vielbewunderten, rätselhaften Debuts. Machen wir es also besser und erkunden wir die ‚Nachtseite‘ des Tractatus und knacken wir Wittgensteins Logik des Verschweigens! Sie werden staunen, was da alles aufscheint, von den Verstellungen der Sprache gereinigt: das Ich und ‚meine‘ Welt, Sprache und Gedanke, das gute und das böse Wollen, Wert und Sinn, Philosophie als Tätigkeit und nicht als Lehrsystem… 

Magie und Macht der Sprache

Der Mensch ist das sprachbegabte Wesen – der alte Aristoteles feierte in seiner Formel vom zoon logon echon dabei vor allem die Vernünftigkeit der Sprache. Wir Heutige staunen dagegen mehr über die Verführungsmacht der Sprache, über ihre literarische Magie, über ihre suggestive Wucht. Peter Vollbrecht präsentiert Ihnen Kritiker und Könner der Sprache: Platon frühe Kritik an der Rhetorik, Barack Obamas Farewell Speech, Nietzsches aphoristische Sprachkraft, Hugo von Hofmannsthals Chandos-Brief, Heidegers dunkles Geraune von der sprechenden Sprache und Ernst Cassirers erhellende Gedanken über das Kulturgut Sprache. 

Kritik der Macht:
Michel Foucault

Kein anderer Philosoph hatte in Frankreich nach Jean Paul Sartre einen solchen Einfluss wie der 1984 verstorbene Michel Foucault. Er spürte den subtilen Machtstrukturen nach, die sich nicht nur in der Sprache etabliert haben, sondern – man höre und staune! – auch im Gebäude des menschlichen Wissens. Wie kommt es, dass ein Gedanke, eine Erkenntnis oder eine Vision nur zu bestimmten Zeiten sich durchsetzen kann?, fragte er. Wo liegen die Institutionen der Zensur, die das Geistige unterdrücken? Foucault stieß dabei auf die wesentlichen Grenzziehungen, die das kulturelle Gespräch beherrschen und kontrollieren: Normalität und Wahnsinn, Freiheit und Strafe, Rassismus und Bio-Politik, Krankheit und Medizin, sexuelles Begehren und gesellschaftlich abweichende Orientierungen. Dabei verstand Foucault sich als ein Archäologe des Wissens, der den ‚Willen zum Wissen‘ auf dessen ‚Willen zur Macht‘ hinterfragt. Eine ungewöhnliche Gesellschaftskritik wartet auf Sie – oder haben Sie selbst gar manches davon schon gedacht oder empfunden?

Karl Raimund Popper und die Offenheit des Denkens

Nach einem traumatischen Erlebnis in seiner Jugendzeit wandelte sich Karl Raimund Popper vom Marxisten zu einem entschiedenen Vertreter einer offenen, demokratischen Gesellschaft. Wissenschaftlicher, aber auch kultureller Fortschritt könne sich nur in einem freien, unideologischen Diskurs ereignen, Wahrheit ist uns immer nur bis auf Widerruf zugänglich, die Welt des Erkennens und Wissens bereichere uns auch in unseren Gefühlen und Bewusstseinszuständen. In seinem Werk verbindet er Wissenschaftstheorie mit klassischen anthropologischen Fragestellungen sowie mit dem politischen Denken. In vielen unserer intuitiven Überzeugungen können wir uns bei Popper wiedererkennen, in einer wunderbar klaren Sprache gibt er ihnen die nötige philosophische Tiefe. 

Markus Gabriel und der ‚neue Realismus‘

Die veränderte Weltlage mit ihren politischen, wirtschaftlichen und humanitären Krisen hat in der Philosophie eine Wende zum Realismus ausgelöst. Ein neues philosophisches Klima entsteht derzeit. Markus Gabriel, Maurizio Ferraris, Hilary Putnam und andere insistieren auf einer ‚harten Realität‘ hinter (oder in!) den menschlichen Konstruktionen des Wirklichen. Damit wenden sie sich gegen die idealistischen Spielarten der letzten Jahrzehnte wie Postmodernismus und Konstruktivismus. Dennoch: ein Zurück zum naiven Realismus kann es nicht geben. Der ‚neue Realismus‘ weicht der Sinnfrage nicht aus. Was ist dran am neuen Realismus? – eine Bestandsaufnahme vielleicht, ein intellektueller Genuss auf jeden Fall.

Immanuel Kant: Die Grenzsteine der Vernunft

Kants Philosophie war deshalb so epochemachend gewesen, weil er mit einer ganz neuen Denkart Frieden stiften wollte unter den philosophisch strittigen Themen. Dabei entlarvte er typische Denkfehler in den (damals wie heute) gängigen Argumentationen. Pikanterweise ergeben sich diese ‚Denkfehler‘ bei Themen, die uns ganz besonders angehen, weil sie von existenzieller Relevanz sind: Seele, Gott und Welt. Gerade in den aktuellen wissenschaftlichen Debatten dreht sich vieles um die Frage, ob es so etwas wie die Seele ‚gibt‘. Ob die Welt einen Anfang in der Zeit hat oder ob sie der Zeit nach unendlich ist. Ob in der Natur Freiheit möglich ist oder ob sich alles nach eiserner Kausalität abspult. Ob zu allem Bedingten in der Welt eine göttliche Unbedingtheit angenommen werden müsse. Kant möchte uns dabei helfen, diese Fragen sinnvoll zu stellen, um sie ebenso sinnvoll zu beantworten. Dabei zeigen sich die Grenzsteine der Vernunft, nämlich die Grenzen unserer Erkenntnis. 

Gottfried Wilhelm Leibniz: Leben wir in der besten aller
möglichen Welten?

Gottfried Wilhelm Leibniz was das letzte Universalgenie, das zu seiner Zeit die Felder des damaligen Wissens noch überschauen konnte. Er lebte in der heiteren und optimistischen Zeit des Barock, der Gottesglaube war damals noch stark gefestigt, für Leibniz ein Inspirationsquell für seine immense Kreativität. Er war Mathematiker, Philosoph und Rechtswissenschaftler, er engagierte sich im Friedensdiskurs seiner Zeit, er wirkte als Biologe und Sprachwissenschaftler und er war ein Vorläufer der empirischen Psychologie. Er erfand die digitale Sprache, baute die erste Rechenmaschine und erwartete der Welt eine Zukunft, in der Maschinen den Menschen vom Arbeitsdruck entlasten werden. Alles sei optimal eingerichtet vom Weltenbauer Gott, wir leben in der besten aller möglichen Welten. Betrachten wir aus dem Abstand von drei Jahrhunderten noch einmal diesen Optimismus! 

Odo Marquard und der Abschied vom Prinzipiellen

Die Philosophie liebt das Prinzipielle und Allgemeine. Und schon wieder – ein allgemeines Urteil! Aus diesem Zirkel kommt man kaum heraus, oder? Der vor einigen Jahren verstorbene Odo Marquard kann es besser. Er hat den Generalisten, Universalisten und sonstwie ins Grundsätzliche Verliebten den Kampf angesagt. In pointierten, witzigen Essays übt er sich in einer ‚Transzendentalbelletristik‘, wie er seinen philosophischen Stil selbst einmal genannt hat. Mit heiterem Ernst ergeht sich der Meister des luftigen Skeptizismus über die Lage des Menschen in der modernen Welt. Sein Rezept: Übe Dich in Inkompetenz-Kompensationskompetenz! Alles klar? Wenn nicht, dann buchen sie dieses Thema!

Der große Aristoteles

Er war der einflussreichste Philosoph der abendländischen Tradition, allenfalls Immanuel Kant käme da heran, doch dem Königsberger fehlen da etliche Jahrhunderte an Wirkungsgeschichte. Aristoteles verdankt sein Gewicht dem beeindruckenden Spektrum seines Denkens, er schrieb über Ethik und Politik, Natur und Kosmologie, Biologie und Psychologie, Rhetorik und Dichtung, Logik, Argumentationslehre und Wissenschaftstheorie. Peter Vollbrecht versucht sich an der unmöglichen Aufgabe eines Gesamtporträts dieses einzigartigen Philosophen.

Was ist Wahrheit?
Eine pragmatische Antwort aus Amerika von Richard Rorty

Was ist Wahrheit? Es ist ein Kreuz mit ihr. Im Namen der Wahrheit sind viele Untaten begangen worden. Ihre unheiligen Allianzen mit Religion und politischer Ideologie verwüsten die Welt bis heute. Und dennoch: wir können die Rede von der Wahrheit nicht aufgeben. Aber wir können sie in kleineren Buchstaben schreiben. Es lohnt hierbei ein Blick nach Amerika. Denn amerikanische Denker haben sich von dem Anspruch befreit, die Welt im Großen erklären zu wollen. Ja, mitunter pfeifen sie auf die Last der Tradition und konzentrieren sich auf die Lust an der Argumentation. Das Vorbild dabei ist das Streitgespräch zweier vor Gericht debattierender Gegner. Und in diesen Debatten gelingt ihnen mitunter manch’ interessanter Brückenschlag zwischen scheinbar unvereinbaren Positionen.
Erleben wir den kreativen amerikanischen Geist, wie er die altehrwürdige Frage nach der Wahrheit aufmischt. Richard Rorty ist unser philosophischer Vorturner dabei. Er wird uns mit der provozierenden These verstören, Wahrheit sei nichts anderes als Nützlichkeit. Turnen wir ein wenig mit, es lohnt sich! Schließlich steht ja viel auf dem Spiel!

Was also ist die Zeit?
Philosophische Meditationen über ein ewiges Thema

“Was also ist die Zeit?”, fragte vor eineinhalbtausend Jahren Augustinus, und er bekannte: “Wenn mich niemand darüber fragt, so weiß ich es; wenn ich es aber jemandem erklären möchte, so weiß ich es nicht.”

So geht es uns wohl noch immer. Allerdings können wir Heutige zurückblicken auf ein Jahrhundert, das ungemein intensiv am Phänomen der Zeit interessiert war. Philosophie, Kunst und die Wissenschaften haben viele Facetten der Zeit zum Thema gemacht: die Zeit in der Natur, das Zeitbewußtsein des Menschen und die Zeiterfahrung in den verschiedenen Kulturen. 

Wir unternehmen an diesem Abend eine Reise durch die Zeit-Welten, wir lassen uns verwirren von dem geheimnisvollen Phänomen Zeit, um klarer zu sehen und in unserem Gespräch vielleicht sogar den Versuch zu unternehmen, zu einem sinnvollen Umgang mit dieser so begrenzten Ressource zu gelangen.

Künstliche Intelligenz

Wir sind Zeugen einer phänomenalen technischen Revolution. Sie wird die Lebenswelt radikaler noch verändern wie das Automobil oder das Flugzeug. Denn in naher Zukunft werden die Maschinen nicht mehr nur unsere Dienstboten sein. Mit lernender Kognition ausgestattet werden sie mit ihrer Umwelt kommunizieren und ihre eigenen Fertigkeiten dabei verfeinern und verbessern. Was wissenschaftlich und technologisch ungemein faszinierend ist, das erzeugt im Alltagsbewusstsein große Ängste. Doch Ängste speisen sich nicht selten aus sachlicher Unkenntnis. Sie müssen ernst genommen werden, doch dürfen sie uns auch nicht davon entlasten, uns ein wenig genauer umzuschauen. Peter Vollbrecht hat sich da ein wenig kundig gemacht: die Forschung über künstliche neuronale Netzwerke lässt uns unsere natürliche Intelligenz besser verstehen. Denn wir schauen dabei wie in einen Spiegel …

Axel Honneth: Weltbeziehungen der Anerkennung

Das Streben nach Anerkennung begleitet unser Leben von Kindheitstagen an. Philosophisch wurde es ein großes Thema allerdings erst spät. G.W.F Hegel hat es in einem berühmten Kapitel (Herr und Knecht) auf den Weg gebracht. Im späten 20. Jahrhundert hat Axel Honneth, einer der wenigen deutschsprachigen Philosophen von internationalem Rang, Hegels Position auf die Höhe der spätmodernen Gesellschaft gebracht. In ihr sind Kämpfe um Anerkennung voll entbrannt – wir verfolgen einige ihrer Schauplätze.

Politik und Gesellschaft

Verantwortung in der Politik: Max Weber

Im Aufstieg populistischer Parteien in Europa sprechen die Bürger dem etablierten politischen System ihr Misstrauen aus. Ob berechtigt oder nicht – der Vertrauensverlust ist Fakt. Er bescheinigt der Politik einen Mangel an Weitsicht und Verantwortungsbereitschaft. Darin schwingt eine alte Klage. Vor knapp einhundert Jahren hielt der Soziologe Max Weber im Revolutionswinter 1919 den berühmten Vortrag ‚Politik als Beruf‘, in dem er die Idee der Verantwortungsethik gegen die Gesinnungsethik ins Spiel brachte – eine für uns passende Vorlage, um unsere gegenwärtige politische Kultur zu diskutieren! Eine Matinée, die Gesinnungen und deren Parolen kritisch auf den Prüfstand stellt – nicht, indem wir sie zurückweisen, sondern indem wir das ideologische Potenzial von Gesinnungen überhaupt entlarven. 

Hannah Arendt: Was heißt es, in Freiheit zu leben?

An ihrer farbigen Biographie hatten auch die politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts mitgeschrieben: Königsberg, Berlin, Marburg, Freiburg, Heidelberg, Frankfurt, dazwischen immer wieder Berlin, wo sie in ihrer Wohnung 1933 einen Unterschlupf für Flüchtlinge bot. Gestapo-Verhaftung, Flucht über Tschechien nach Paris und schließlich über Lissabon nach New York. In ihren Werken suchte sie immer wieder die Auseinandersetzung mit Rassismus und Totalitarismus, den großen Themen der damaligen Zeit, die heute unerwartet eine neue Konjunktur erfahren. Aufbruch und Natalität (Geburtlichkeit) hielt sie gegen Heideggers todesgerichtete Seinsphilosophie. Heute werden ihre Werke weltweit rezipiert, insbesondere in den Demokratiebewegungen Afrikas und Asiens. Hannah Arendt ist eine Philosophien, die selber nie eine sein wollte, eine Denkerin in globalem Maßstab.

Harry G. Frankfurt: Bullshit. Die Bedrohung des öffentlichen Lebens
durch das verantwortungslose Gerede

Als hätte er es geahnt – vor zwanzig Jahren schon. Damals publizierte der US-amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt einen Aufsatz, der wie eine Bombe einschlug. Visionär diagnostizierte er eine neue Form des öffentlichen Gesprächs, das sich von Fakt und Wahrheit abkoppelt und eine Scheinwelt erzeugt. Bullshit, schwer ins Deutsche übersetzbar, riecht nach Lüge, Humbug und Gerücht und ist dennoch mehr und anderes. Bullshit verzichtet auf jedwede sorgfältige Beschreibung von Wirklichkeit. Es ist ein Sprechen ohne Sachkompetenz. Im öffentlichen Diskurs gewinnt es Anhänger, weil auch die anderen die Sachen nicht kennen, über die sie doch reden möchten. Und so verbreitet es sich wie ein Pilz und höhlt die Glaubwürdigkeit des Argumentierens aus. Weshalb neigen moderne Gesellschaften dazu, die Wirklichkeit zu fälschen? Wer steckt dahinter, wer profitiert davon? 

Die Geburt Europas aus dem Geist der Renaissance

Als in Italien um das frühe 15. Jahrhundert die Lebenslust aufloderte und in den Künsten und den Wissenschaften sich eine grundsätzlich neue Weltsicht zum Ausdruck brachte, als dieser Funke über die Alpen sprang und ganz Europa inspirierte, da wurde das moderne Europa geboren. Der Typus des exzentrischen, lebenshungrigen Individuums, das mit einer universalen Bildung trumpft, dominierte die Szene: Leonardo da Vinci und Michelangelo in der Malerei und Bildhauerei, Giordano Bruno in der Theologie, Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei in der Astronomie und Physik, Niccolo Machiavelli in der politischen Theorie, Erasmus von Rotterdam und Michel de Montaigne in der Philosophie. Sie alle erkundeten völlig neue Räume. Eine ‘Neue Welt‘ wird entdeckt. Die Renaissance war fasziniert vom Thema des Raumes. In dessen offenen Dimensionen verortet sich der Mensch auf neue und für ihn herausfordernd-inspirierende Weise – und nimmt seinen Abschied aus der geschlossenen Welt des Mittelalters. Wir lassen uns beeindrucken von der Kraft ihrer ausdrucksstärksten Vertreter.

Weltbürgertum und kosmopolitische Vernunft:
Immanuel Kant als Vordenker der Staatengemeinschaft 

Eigentlich ist es ein philosophischer Skandal, dass der Frieden den Philosophen selten ein Thema wert war. Die große Ausnahme ist hier wieder einmal Immanuel Kant. Mit seiner kleinen Schrift Zum ewigen Frieden hat er vor über 200 Jahren die Idee eines Völkerbundes entworfen, Vorbild der 1945 gegründeten Vereinten Nationen. Visionär entwarf Kant einen globalen Friedensvertrag, mit dem der Krieg endgültig aus dem Zusammenleben der Nationen verbannt werden soll. Und kühn erklärte Kant jeden Menschen des Planeten zum Weltbürger, der an jedem Ort der Erde ein Aufenthaltsrecht beanspruchen könne, ohne Fremdenfeindlichkeit befürchten zu müssen. Kants kleine Schrift entfaltete eine unvergleichbare Wirkung, sie ist seine Antwort auf die Globalisierungsprobleme unserer Zeit! 

Als Denken noch angesagt war:
Jena und die Geburt der Kulturnation Deutschland

Vor gut 200 Jahren war Deutschland ein Treibhaus der Ideen. Es war eine Zeit, in der der Geist nur so sprühte, lange aufgestaut im Korsett absolutistischer Herrschaft. Doch nun war die Jugend am Zug. Jena und Weimar bildeten damals die Zentren von Philosophie und Literatur. Sie zogen Köpfe an, die hier zu ‚Fürsten des Geistes‘ wurden und das Dichten und Denken bis heute prägen. Die Philosophen Fichte, Schiller, Schelling und Hegel entwarfen in Jena ihre stürmischen Jugendphilosophien, in denen sich alles um die Freiheit sich drehte. In Weimar residierte der Geheimrat Goethe, der die kulturpolitischen Fäden im Bonsai-Staat Sachsen-Weimar in der Hand hielt und eine geschickte Berufungspolitik betrieb. Er protegierte Schiller mit einer Professur an der Universität Jena, wo Schillers Antrittsvorlesung zu einem epochalen Ereignis wurde. Wir beobachten, wie ein kosmopolitischer Geist die Identität einer Kulturnation formte. Es erwartet Sie eine große Expedition in die tieferen Schichten unserer kulturellen DNA. Im Kontrast dazu das Elend unserer gegenwärtigen Bildungsmisere!

Fairness, Gerechtigkeit und Gemeinsinn:
Martha Nussbaum: Die Politik der Emotionen

Die US-Amerikanerin Martha Nussbaum kreist in ihrem Werk um die philosophische Bedeutung der Gefühle. Dabei geht es ihr nicht nur um die Innenwelt von Personen. Gerade Gefühle haben eine soziale Dimension, meint sie, darin liege auch begründet, weshalb politische Botschaften nur erfolgreich sein können, wenn sie an Gefühle appellieren. Dabei spielt die Angst eine problematische Rolle, denn politische Ideologien instrumentalisieren die Angst und immunisieren sich auf diese Weise gegenüber der Kritik. Angst, so ihre Kardinalthese, kann sich in der Welt der Gefühle zur absoluten Herrscherin aufstemmen – Martha Nussbaum liefert eine große Diagnose der politischen Krise der Gegenwart. 

Fairness, Gerechtigkeit und Gemeinsinn:
Achille Mbembe: Die ›schwarze Vernunft‹

Europa trage einen Mühlstein der Schuld, meint Achille Mbembe, der derzeitige afrikanische Philosophenstar aus Kamerun. In seinem Buch ›Kritik der schwarzen Vernunft‹ geht er hat mit dem Rassismus ins Gericht, auf dem Europa und Nordamerika ihr Geschäftsmodell gegründet haben. Seine Vision ist eine Menschheit ohne Rassen, ein Kosmopolitismus auf der Grundlage universaler Gleichheit. ›Schwarze Vernunft‹ – damit möchte Mbembe die dunkle Seite der europäischen Vernunftkonzeption aufdecken, ihre Nachtseite, die den Kolonialismus mit kultureller Überlegenheitsgeste rechtfertigte und den Kapitalismus zur globalen Wirtschaftsordnung etablierte. Kritisch untersuchen wir die kernigen Thesen Membes.

Fairness, Gerechtigkeit und Gemeinsinn:
Amartya Sen: Die Idee der Gerechtigkeit

Die derzeit erfolgreichsten Entwicklungshilfeprojekte setzen auf den sogenannten ›capability approach‹: Befähigung und Kompetenzen von Bevölkerungsgruppen zu stärken. Der aus Bengalen stammende Wirtschaftsnobelpreisträger Amatya Sen entwickelte ihn in seiner vor zehn Jahren veröffentlichen ›Idee der Gerechtigkeit‹. Brillant verknüpft er dabei europäische und indische Gerechtigkeitskonzeptionen. Dabei verteidigt er engagiert die Demokratie als diejenige politische Form des Zusammenlebens, in der die gemeinschaftsbildenden Kräfte der Individuen sich am besten entfalten können. 

Hartmut Rosa: Weltbeziehungen der Resonanz

Vor ein paar Jahren hat der Soziologe Hartmut Rosa einen vielbeachteten 800-Seiten-Wälzer vorgelegt mit dem Titel Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung. Schon unser leibliches Dasein in der Welt vertraut darauf, dass Welt auf uns zukommt, dass etwas in uns in Schwingung gerät. Über die körperliche Dimension steigen Resonanzerwartungen in allen Sphären der des sozialen Lebens hinauf bis zu weltanschlichen und religiösen Einstellungen. Zugleich machen wir immer wieder die Erfahrung gravierender Resonanzstörungen bis hin zum Verstummen von Resonanz. Entschlüsseln wir an diesem Abend einmal unser Leben anhand des Resonanzbegriffs!

Natur, Naturwissenschaft

Die biologischen Grundlagen unseres Geistes:
Einführung in die Neurophilosophie

Die Naturwissenschaften der Gegenwart lassen die Philosophie nicht unberührt, denn sie brechen ein das klassische Terrain der Geisteswissenschaften. Und dort beantworten sie ebenso klassische Fragen wie die nach der Natur unseres Bewusstseins. Die Neurobiologie beschreitet dabei einen aufregenden Weg, denn sie erklärt, wie aus der Evolution von Zellverbänden selbstorganisierende Systeme entstehen. Ein solches, wiederum hochentwickeltes System ist der menschliche Geist, dessen Erkenntnisleistungen neue soziale Welten entstehen lassen, – ein Prozess, dessen Entwicklungsmöglichkeiten noch gar nicht absehbar sind. Was ist die Zukunft des Menschen? Eine Einführung in die Neurophilosophie mit ihren derzeit herausragenden Vertretern Thomas Metzinger, Michael Pauen, Gerhard Roth und Daniel Dennett. Wie verändert die neurobiologische Sicht auf die natürlichen Grundlagen des Geistes unser menschliches Selbstverständnis? 

Carl Friedrich von Weizsäcker:
Physik und Transzendenz

Carl Friedrich von Weizsäcker ist eine Wissenschaftslegende. Er begegnete in frühen Jahren den Quantenphysikern Werner Heisenberg und Niels Bohr und verschrieb sich zunächst voll und ganz der neuen Physik, die den zwanziger und dreißiger Jahren entstand. Seine Mitwirkung am deutschen Uranprojekt während des Zweiten Weltkrieges veränderte aber seinen Blickwinkel ganz entscheidend auf philosophische Fragestellungen wie die nach dem Wesen der Wahrheit und der gesellschaftlichen Verantwortung des Wissenschaftlers. Außerdem umtrieb ihn das ganze Leben lang das Verhältnis von Religiosität und wissenschaftlicher Rationalität. Sehen wir ihm einen Kronzeugen dafür, dass die moderne Wissenschaft sich den philosophischen Fragen wieder öffnet. Allerdings muss die Philosophie auch mit naturwissenschaftlichen Kompetenzen aufwarten, um den heute nötigen Dialog mit den treibenden zivilisatorischen Kräften leisten zu können. Ein Beitrag, der sich gegen die Entfremdung zweier Kulturen stemmen möchte…

Jürgen Habermas: Der mündige Bürger in der Zivilgesellschaft

Eine lebendige Demokratie zeichnet sich durch eine lebhafte Öffentlichkeit aus, in der die strittigen Belange debattiert werden. Jürgen Habermas hat sich in seinem gesamten philosophischen Werk wie auch in einer Vielzahl von öffentlichen Auftritten dem politischen Ziel verschrieben, die ‚vierte Gewalt‘ im Staat zu stärken. Die Philosophie, so meint er, könne in einem Zeitalter ethischer Mündigkeit kein normatives Leitziel mehr postulieren. Ihre Aufgabe bestehe vielmehr darin, sich für das Ideal eines gerechten Zugangs zum öffentlichen Diskurs zu engagieren, in den die Bürger ihre Angelegenheiten sozialer und sittlicher Art verhandeln. Legitimationsprobleme sind für ihn, den Sokrates der Gegenwart, immer auch Defizite im öffentlichen Diskurs. Die kommunikative Zivilgesellschaft, für die Habermas streitet, fordert die etablierten Zirkel der Macht heraus und veranlasst die derzeitige politische Elite zu weitreichenden Strukturreformen des politischen Lebens.

Vernunft ist ein Ergebnis der Evolution:
Konrad Lorenz und Rupert Riedl

Die menschliche Vernunft fiel nicht vom Himmel, vielmehr entstand sie in einer immens vielgliedrigen Kette evolutionären Lernens. Über einen Jahrmillionen währenden Prozess der Anpassung entwickelten die Organismen Erkenntniszuwächse über ihr Lebensmilieu. Erkenntnis, evolutionsbiologisch gefasst, ist nicht an Verstand und Vernunft gebunden. Die Evolutionäre Erkenntnistheorie lenkt den Blick auf die „Rückseite des Spiegels“ und macht die stammesgeschichtlichen Voraussetzungen von Verstand und Vernunft sichtbar. Manche klassischen Fragen wie die nach der Natur des Wirklichen oder nach der Wahrheitsfähigkeit menschlichen Erkennens erfahren von Wissenschaftlern wie Konrad Lorenz oder Rupert Riedl ganz neue Antworten. 

Nähe und Distanz. Vom maßvollen Umgang mit Grenzen

Der Mensch ist das Grenzen ziehende Wesen. Er umhegt sein Eigenes, persönlich und biographisch wie auch kulturell-politisch. Ich und die Anderen, ein Dual des bewussten Lebens, ausgehärtet im Laufe der Evolution. Aber auch das Mitmenschliche definiert uns, die Kooperation, die gesellschaftliche Wärme, die intime Nähe der Liebe. Die Natur hat uns widersprüchlich konstruiert. Hat uns aufgegeben, die Spannung von Nähe und Distanz zu leben und eine Formel dafür zu finden, Grenzen zu respektieren und zu überschreiten. Manchen gelingt das besser, anderen schlechter, jeder hat dafür sein eigenes Maß. Wir wollen wir es finden, dieses Maß, inspiriert durch eine kurze Exkursion zu den evolutionsbiologischen Strategien, mit denen jedes Leben sich in begrenzten Milieus entfaltet – um dann vorzustoßen in die Mitte unseres persönlichen Daseins. Dort diskutieren wir dann: Kontrolle und Unterwerfung; Empörung und Auflehnung; Anstand und Respektlosigkeit; Ächtung, Selbstachtung und Anerkennung; Argwohn und Vertrauen; Mut, Lust und das subtile Spiel von Verbergen und Offenbaren.

Alexander von Humboldt:
Die grandiose Natur

„Die Natur ist für die denkende Betrachtung Einheit in der Vielheit, ein lebendiges Ganzes“, so zog Alexander von Humboldt in seinem Spätwerk Kosmos die Summe seiner Naturforschungen. Auf seinen mehrjährigen Reisen durch Mittel- und Südamerika und Russland studierte der ‚Aristoteles der Neuzeit‘ die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Klima, Geographie, Botanik, Zoologie und kulturellen Lebensräumen – Charles Darwin war sein berühmtester Verehrer, Goethe sein naturwissenschaftliches Vorbild. In unseren Zeiten der Naturkrise erinnert Alexander von Humboldts Lebenswerk an eine immer wieder in Vergessenheit geratene Entdeckung: an die Liebe zum großen Ganzen, dem auch wir angehören. Es erwartet Sie ein großer Spaziergang durch die Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts. 

Sollen wir der Natur Rechte verleihen?

Im März 2021 fällte das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil für die künftige Klimapolitik. Nun machen die Gerichte der Politik Beine. Doch das kann nur ein erster Schritt sein. Wie wäre es, wenn die Natur den Status einer Rechtsperson innehätte? Wenn Umweltverbände in Namen der Natur klagen könnten? Wenn das Interesse von Flüssen, Pflanzen, Tieren und allen Umweltmedien zu achten wäre? Utopisch? Unser Rechtsystem kennt seit über einhundert Jahren die juristische Person einer Aktiengesellschaft etwa – weshalb richten wir Ähnliches nicht für das außermenschliche Leben ein? Die Verfassung Ecuadors hat der Natur Rechte eingeräumt, andere Länder wie Bolivien, Neuseeland, Indien und neuerdings auch Spanien folgen diesen Innovationen im Umweltrecht. Wann wacht Deutschland auf? Peter Vollbrecht, Mitglied der Gruppe ›Biokratie – Rechte der Natur‹ berichtet über die aktuellen Anstrengungen einer Ökologisierung des deutschen Grundgesetzes. 

Ästhetik, Literarisches

»Komm und besänftige mir das Chaos der Zeit«
Friedrich Hölderlin zum 250. Geburtstag

Feinsinnig war er, zerbrechlich seine Seele, literarisch eine Lichtgestalt. Mit 36 Jahren erkrankte er psychisch schwer und verbrachte die zweite Hälfte seines Lebens in geistiger Umnachtung beim Schreinermeister Zimmer, wo er das berühmte Turmzimmer am Tübinger Neckarufer bewohnte. Immer wieder wurden Zweifel an Hölderlins Erkrankung laut, man vermutete, Hölderlin habe sich einer politischen Verfolgung entziehen wollen. Seine Dichtung vollzieht einen regen Grenzverkehr zwischen Poesie und Philosophie, und in betörend schönen, aber auch verstörenden Texten inszeniert Hölderlin immer wieder den Konflikt von idealer und realer Welt. Sein schmales Werk thematisiert Gegensätze, die auch uns heute noch im Griff halten: Norden und Süden, Orient und Okzident, Erinnerung, Gegenwart und Hoffnung, Freiheit und Gebundenheit. Ein Abend zu einem Jubiläum, wie man es nur einmal im Leben erlebt.

Hat jeder seinen eigenen Geschmack?
Kant über das Schöne

Über Geschmack, so sagt man, lässt sich bekanntlich streiten. Immanuel Kant war da ganz anderer Auffassung. Nein, so meinte er, auch ein Geschmacksurteil trete mit dem Anspruch auf, allgemein gültig zu sein. Jedenfalls dann, wenn es dabei um das Schöne geht und nicht um die Freuden des Gaumens. Zwar sei es eine subjektive Sache mit dem Schönen in Kunst und Natur, aber dennoch: unser Gemüt erfahre in der schönen Empfindung und im Erleben des Erhabenen in der Natur eine andere Weltordnung. Lassen Sie sich an diesem Abend dorthin entführen, wo die Dinge leichter wiegen, wo Freiheit und Naturkausalität sich spielerisch berühren. 

Die Welt im Inneren der Seele
Rainer Maria Rilke und das poetische Denken

Sie berühren, beeindrucken, bezaubern. Immer noch, auch einhundert Jahre nach ihrem Entstehen – Rilkes Gedichte führen uns in den Weltinnenraum der Seele. Dort gewinnt alles Sprache und Figur, woran wir im Alltag achtlos vorübergehen: Dinge, Gesten, Bewegungen. Immer spürt Rilke darin den lebendigen Atem des Vergänglichen auf – und entdeckt uns die verborgene Sprache des Seins. Beim Lesen seiner Gedichte schärft sich der Blick für die Bedeutsamkeit des Kleinen und Unscheinbaren, inszeniert in kräftigen, musikalischen Versen. Von ein paar exemplarischen Gedichten aus nehmen wir Kurs auf Rilkes poetische Landschaften, um zu erleben und genießen. Aber auch, um das Denken zu überschreiten auf die poetische Vernunft hin. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man dichten… 

Freundschaften – Goethe und Schiller oder:
Empfindung und Gedanke

Jede wahre Freundschaft lebt von Ergänzung und von Spannung. In jeder wahren Freundschaft gibt es nicht nur Verständnis, sondern auch Wachstum und Steigerung. Goethe und Schiller geben uns davon ein großes Beispiel. Beide waren sehr konträre Charaktere. Empfindung – das sei auf Goethe gemünzt, auf seinen Widerstand gegen das Philosophische, das Theoretische, Abstrakte, Begriffliche. Gedanke – das umschreibt das Reflexionsgenie Schiller, so hat Rüdiger Safranski in seiner Studie Goethe&Schiller den Schwaben getauft. In der Dramaturgie ihrer Freundschaft spiegelt sich eine Grundspannung, die auch uns angeht: Denken und Handeln, Geist und Natur, Freiheit und die Allverbundenheit des Seins.

Franz Kafka oder die Welt ohne Vertrauen

„Hier war mein Gymnasium, dort in dem Gebäude, das herübersieht, die Universität, und ein Stückchen weiter links hin mein Büro. In diesem kleinen Kreis ist mein ganzes Leben eingeschlossen.“ – Wie konnte aus solcher Enge eine Weltliteratur entstehen, die im 20. Jahrhundert nicht ihresgleichen findet? Kafkas Figuren verlieren sich in einer Welt ohne Vertrauen, und seine Erzählkunst erzeugt dabei einen Sog, dem sich kein Leser und keine Leserin entziehen können. Seine einsamen Welten haben dabei das intensivste literarisch-philosophische Gespräch unserer Gegenwart erzeugt. Paradox? Peter Vollbrecht versucht, daraus einen Sinn zu machen… 

„Der Mensch ist nur da ganzer Mensch, wo er spielt“
Friedrich Schiller als Philosoph

Nach Kant nun Schiller, und das war auch philosophiegeschichtlich (mit Fichte) der erste Versuch, Kant weiterzudenken. Unbefriedigend sei doch, so meinte Friedrich Schiller, dass Kant den Menschen aufgespaltet habe in einen vernünftigen und in einen sinnlichen Menschen, damit habe sich der Mensch doch selber den Krieg erklärt. Im ästhetischen Zustande aber sei der Konflikt geschlichtet, hier erst sei der Mensch wirklich Mensch, im ästhetischen Spiel: „Der Mensch ist nur dort wahrer Mensch, wo er spielt.“ Die Kunst als Erzieherin der Menschheit?

Friedrich Schiller jedenfalls hat von der Kunst sehr viel erwartet. „Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung“, meinte er. Ein Abend über die idealistische Faszination, für die Schiller auch mit seiner ungemein kraftvollen Persönlichkeit einsteht: ein Mordskerl war er!