Liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt viele Beweggründe, sich mit der Philosophie zu beschäftigen. Einer davon ist gewiss die Suche nach dem Sinn des Lebens.
Irgendwann wird sie aufgetaucht sein in der frühen Menschheitsgeschichte, die Frage nach dem Sinn des Daseins. Unartikuliert zunächst, doch untergründig wirkte sie schon in der Organisation menschlicher Verbände. Dann in erzählerische Formen gegossen und dramatisiert in den großen Mythen, den Epen und den Tragödien. In den Weltreligionen und Philosophien schließlich fand sie zum Individuum selbst. Aus der Frage nach dem Sinn des Daseins wurde die nach dem Sinn des Lebens.
Kann die Philosophie darauf eine Antwort finden?
Eine direkte, lebenspraktische Anleitung zum sinnvollen Leben kann sie, denke ich, nicht leisten. Ihre Antworten sind verborgener und langatmiger als die der wohlfeilen Ratgeber und der esoterischen Träume, die überall in den Buchhandlungen ausliegen. Die Philosophie nämlich spielt die langen Pässe, sie bringt die Summe des intellektuellen, wissenschaftlichen und künstlerischen Lebens auf, um neue Deutungen an alte Auffassungen anzuschließen. Wir Individuen stehen in einem unvollendbaren Fluss von Interpretationen, die jede Epoche, jede Kultur sich erfindet. Philosophieren heißt, bewusst daran teilzuhaben und mitunter dabei ganz große Funde zu machen. Funde, die unser Selbstverständnis verändern, die uns die Dinge neu sehen lassen. Wenn wir philosophieren, wirklich philosophieren und nicht nur nachsprechen, dann lernen wir, unser kulturelles Selbst zu verstehen, um unser individuelles Ich in größerer, weil weltoffenerer Perspektive zu erkennen. Dann ist es da, das Erlebnis von Sinn.
Das ist leichter hingeschrieben als wirklich erfahren und erlebt. Mir persönlich gelingt das, wenn überhaupt, nur in sehr seltenen Momenten. Ich komme mit der Suche nach dem Sinn des Lebens nicht zur Ruhe, allenfalls in flüchtiger Erscheinung erlebe ich ihn. Aber das reicht hin, um darin bestätigt zu sein, dass die Suche nach Sinn und Bedeutung selber schon Ausdruck eines sinnhaften Lebens ist.
Also wäre denn der Weg das Ziel? Diese ein wenig abgegriffene Formel bringt zwar sehr treffend die Weisheit zum Ausdruck, dass das Leben seinen unbedingten Wert in sich selbst trägt. Es kommt aber auch darauf an, wie wir unser Leben führen. Ob wir die Möglichkeiten ergreifen, die das Leben bietet. Das aber wäre die Frage nach dem richtigen Leben. Davon ein anderes Mal.