Liebe Leserin und lieber Leser!
Desöfteren werde ich gefragt, ob die Philosophie einen Nutzen habe für das praktische Leben. Ich muss Ihnen gestehen, dass mich diese Frage in einige Verlegenheit bringt. Denn das Verlangen nach Nützlichkeit macht aus der Philosophie einen Bilanzposten in einer strategischen Kalkulation. Und das verursacht mir doch ein wenig Bauchgrimmen.
Andererseits sollte das Philosophieren auch kein nutzloses Unterfangen sein. Es wäre weltfremd, in ihr nur ein intellektuelles Spiel sehen zu wollen. Das würde verkennen, dass die Philosophie sich seit jeher als eine Tätigkeit verstanden hat, die zur Orientierung im Dschungel der Meinungen und Erkenntnisse beitragen möchte.
Nein, ich finde keine eindeutige, schnelle Antwort auf die Frage nach dem Nutzen des Philosophierens. Eher führt es mich ins Nachdenken über das Nützliche: Sind wir mit Nützlichkeitserwägungen nicht irgendwie auf dem Bazar und schachern dort um unsere Einsätze? Ist man nicht kurzsichtig, wenn man stets nur konkrete Ziele vor Augen hat? Sollten wir nicht das Nützlichkeitsdenken hinter uns lassen, wenn es uns um die ferneren Absichten unseres Daseins geht?
Der Philosoph Georg W.F. Hegel hatte einmal gesagt: „Nur das Ganze ist das Wahre.“ Mich hat dieser schlichte Satz stets beeindruckt. Zwar ist (gegen Hegel gewendet!) das ‚Ganze‘ für unsere endliche Vernunft nie zu erreichen, aber genau dieses Manko ist für uns Menschen der beständige Antrieb unseres Strebens – und der Ursprung eines sehr tiefen Glückes. Das gilt auch und vor allem für die Philosophie. Denn wer philosophiert, der ist aktiv mit dem Fluss des Lebens verbunden, der ist Teilnehmer einer großen Kommunikationsgemeinschaft, die sich weit über Zeit und Raum erstreckt und der die Lebenden wie die Toten angehören. Vielleicht war es diese Besonderheit des philosophischen Gesprächs, die den alten Griechen Aristoteles zum schwärmerischen Gedanken verleitete, dass die Götter die glücklichsten Wesen seien, weil sie unablässig philosophierten.
Also doch ein ‚Nutzen‘ der Philosophie? Ja, aber auch mehr, denn es geht dem Philosophieren um den Sinn unseres Daseins. Doch darüber ein anderes Mal an diesem Orte!